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Deutschland (1900)
Quellen:
Bundesarchiv Abteilung PA
Tauf- und Sterberegister via Ancastry.de
"Schlachtschiff Bismarck" – Burkard Freiherr von Müllenheim-Rechberg
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Am 15. Juni 1900 wurde die Hebamme Karoline Stahlbusch in die Nordstadt von Hannover gerufen. Dort, in einer Wohnung in der Marschnerstraße 44 nahe dem Güterbahnhof und der Trainkaserne lag eine Frau namens Anna Meier, geborene Gunkel, in den Wehen. Der angehende Vater hieß Karl Ernst August Meier und war Arbeiter von Beruf. Um 12:30 Uhr wurde ein Knabe geboren, welchen die Eltern einen Monat später in der Lutherkirche auf den Namen Arthur August tauften. Er wuchs in der Nordstadt auf, die mit dem Bau des Güterbahnhofes und seiner Erweiterung dem Produktenbahnhof zur Ansiedelung mehrerer Industriebetriebe geführt hatte. Auch das preußische Militär der Garnisonsstadt Hannover war in dem Stadteil mit mehreren Kasernen stark vertreten. Auf der anderen Seite der Gleise fand der junge Arthur Meier die weiten Wiesen der Hainhölzer Feldmark vor, die während seiner Kindheit nach und nach bebaut wurden. Das andere Ende seiner Straße markierte die Christuskirche auf einem sternförmigen Platz an den sich im Süden der große Klages Markt mit seinen zahlreichen Marktständen anschloss. Weiter westlich lag das Welfen Schloß, welches die königlich Technische Hochschule beherbergte und die ausgedehnten Anlagen der Herrenhäuser Gärten, mit dem Herrenhäuser Schloß im Nordwesten. Baulich war der Stadtteil stark durchmischt. Neben alten Kleinstädtischen Landarbeiterhäuschen standen etwa Mietskasernen.
Arthur Meier besuchte von seinem sechsten bis zu seinem 14. Lebensjahr die Bürgerschule. Er hatte einen kurzen Schulweg von nur 10 Minuten. Direkt nach dem Schulabschluss trat er im April 1914 eine Lehre bei Justizrat Dr. Steinfeld an. Dort lernte er als Bürogehilfe und besuchte neben der Arbeit die Handelsschule. Ende März 1917 schloss er seine Lehre ab und konnte noch für über ein Jahr weiterarbeiten, ehe er am 21. Juni 1918 in den Kriegsdienst eingezogen wurden. Er kam zu dem Anfang 1917 aufgestellten Fußartillerie-Regiment Nr. 25. Das Kriegsende erlebte er wenige Monate später beim I. Garde-Fußartillerie-Regiment an der Westfront. Im Dezember wurde er dann aus dem Dienst entlassen.
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1 Die Schiffe hingen seit Kriegsbeginn im neutralen Brasilien fest, da eine Heimkehr aufgrund der Seeblockade nicht möglich war. Mit Kriegseintritt Brasiliens 1917 wurden sie beschlagnahmt.
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Nach dem Krieg ging Arthur Meier zunächst ins Ausland. Wahrscheinlich erhoffte er sich dort bessere Chancen auf eine Arbeit und ein gutes Leben, als dies in dem krisengebeutelten Nachkriegsdeutschland möglich war. Ab 1924 fuhr er als Steward und später als Obersteward auf Schiffen des Lloyd Brasileiro. Die brasilianische Reederei – die größte in Südamerika – stützte sich unter anderem auf 45 im Krieg beschlagnahmte Handelsschiffe der Mittelmächte.1 1928 kehrte er nach Deutschland zurück. Seine Erfahrung als Steward nutzte er um in die Gastronomie einzusteigen. Als Geschäftsführer war er im Sommer 1928 in dem renomierten Restaurant Süllberg in Hamburg-Blankenese tätig. Das zinnenbewehrte Gebäude mit Aussichts- und Zierturm stand auf dem gleichnamigen Berg hoch über der Elbe. Es bot seinen Gästen Platz auf einer großen Terrasse mit Blick über die Dächer Blankeneses und hinüber auf das Treiben auf dem breiten Elbstrom, wo Segelboote kreuzten und Schiffe nach Hamburg ein- und ausliefen.
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2 Der ursprüngliche Name Moulin Rouge war nach Beginn des Krieges eingedeutscht worden in Rote Mühle.
3 Die Deutsche Arbeitsfront war ein im Mai 1933 nach der Zerschlagung der Gewerkschaften gegründeter Einheitsverband der Arbeitnehmer und Arbeitgeber unter den Nationalsozialisten.
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1929 arbeitete er im Kasino von Bad Harzburg. Dann kehrte er in seine Heimatstadt Hannover zurück und wurde dort Anfang November 1929 Geschäftsführer in der Roten Mühle. Die Rote Mühle2 bezeichnete sich selbst als den "vornehmsten Tanzpalast von Ruf", zugleich war sie ein Cabaret in dem auch internationale Künstler auftraten. Der rot eingekleidete Saal bot den Künstlern und Musikern eine leicht erhöhte Bühne. Um das davor liegende Parkett herum standen die Tische mit je drei bis vier Stühlen und Blick zur Bühne und Tanzfläche. Die betuchteren Gäste konnten sich auch einen Balkon mieten. Zehn Jahre sollte Arthur Meier hier als Geschäftsführer tätig sein. In dieser Zeit ging die Weimarer Republik in den politischen Unruhen, angefacht durch die Weltwirtschaftskrise, unter und die Nationalsozialisten kamen an die Macht. Arthur Meier positionierte sich frühzeitig auf Seiten der aufstrebenden Nationalsozialisten. Bereits am 1. April 1932 trat er in die NSDAP ein und wurde auch Mitglied der Deutschen Arbeitsfront3. Im Mai 1935 heiratete er mit 34 Jahren die Büglerin Helena Notzem. Sie stammte aus dem Kölner Stadtteil Godorf und war mit ihren 24 Jahren fast elf Jahre jünger als er. Sie brachte einen siebenjährigen Sohn mit in die Ehe, welchen sie 1928 kurz vor ihrem 17. Geburtstag geboren hatte.
In der Saison 1939 nahm Arthur Meier eine neue Stellung als Leiter der Kurhausbetriebe in Swinemünde an. Dann jedoch kam der Krieg und beendete Artur Meiers zivile Karriere. Am 5. November 1939 wurde er als Steward in der Kriegsmarine eingestellt. Als solcher war er kein Kombattant sondern Zivilangestellter der Wehrmacht. Er hätte sich schöneres vorstellen können als Krieg und Kriegsdienst, erzählte er später. Aber irgendwo müsse man ja dienen.
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Artillerieschulboot Drache
Kiellegung: |
22.10.1907 |
Stapellauf: |
11.06.1908 |
Indienst- stellung: |
26.10.11908 |
Ende: |
18.04.1945 (versenkt) |
Verdrängung: |
812 t |
Größe: |
54 m x 9 m |
Besatzung: |
55 Mann |
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Als Artillerietender nahm die SMS Drache 1908 ihren Dienst für die Kaiserliche Marine auf. Als solche schleppte sie Zielscheiben und sicherte das Schießgebiet ab. Während des Krieges gehörte sie zur Hafenflottille Jade-Weser. Die Reichsmarine übernahm das Schiff und nutzte es zunächst beim Führer der Minensuchboote in der Ostsee. 1922 übernahm die Schiffsartillerieschule den Tender. 1936 wurde die Drache generalüberholt. Im März 1945 unterstützte sie das zurückweichende Heer artilleristisch in Ostpreußen und evakuierte Flüchtlinge, bis sie am 18. April 1945 einem sowjetischen Luftangriff auf Pillau zum Opfer fiel.
4 Ernst Lindemann siehe Band 1.1 ab Seite 70
5 In den Bestimmungen heißt es: "Die weisse Jacke ist einreihig nach Zivilschnitt gearbeitet und mit glatten weissen Metallknöpfen zu tragen."
6 Rudolf Hartkopf siehe Band 2 ab Seite 54
7 Burkard Frh. von Müllenheim-Rechberg siehe Band 1.1 ab Seite 198
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Zunächst bediente er auf dem zur Schiffsartillerieschule gehörenden Artillerieschulboot Drache den Kommandeur der Schule Kapitän z.S. Ernst Lindemann4, sowie die Offiziere in der Offiziersmesse. Am 2. April 1940 legte er eine Prüfung zum Steward erfolgreich ab, was angesichts seiner Erfahrung sicher eher einer Formalie gleichkam. Als Ernst Lindemann dann als Kommandant die neue Bismarck in Hamburg übernehmen sollte, sorgte er dafür, dass sein Steward mitkam und an Bord als sein persönlicher Steward angestellt wurde. Arthur Meier war froh auf das Schlachtschiff zu kommen. "So ein starkes Schiff und so ein starker Panzer, da kann mir wohl so leicht nichts passieren." hatte er immer wieder gesagt. Zusammen mit seiner Frau suchte er sich eine Wohnung in Hamburg und wurde in der Bornstraße 28 im Stadtteil Grindel fündig.
Mit der Kommandierung galt es auch einige Verwaltungsaufgaben zu erledigen. Zunächst unterschreib er einen Arbeitsvertrag, mit welchem er sich auf unbestimmte Zeit verpflichtete. Vergütet wurde er nach den Lohntafeln des Hauptliegehafens abzüglich Steuern und Versicherungen. An Bord wurde er über die Schiffsküche verpflegt und erhielt eine Kammer auf dem Schiff, die er sich mit anderen Zivilangestellten teilen musste. Auch die freie ärztliche Behandlung erfolgt an Bord und der Vertrag mahnte ihn "peinlich Sauberkeit und Ordnung zu halten". Er unterstand der Disziplinarstrafgewalt des Ersten Offiziers und dem Militärgesetzbuch, womit er sich unter anderem an die zeitlichen Ausgangsbeschränkungen beim Landgang zu halten hatte. Eine politische Betätigung an Bord war ihm untersagt. Für das Jahr 1940/41 wurden ihm noch 14 Tage Urlaub zugestanden. Ergänzt wurde der Vertrag (ein individuell angepasster Standardvordruck) durch Bestimmungen die im Kriege galten. Demnach wurde er zum Hilfskrankenträger ausgebildet und war verpflichtet als solcher Dienst zu tun. Das Kündigungsrecht wurde ihm während des Krieges aberkannt und war nur noch bei besonderem Grund durch das Schiffskommando selbst, oder bei Einberufung in den aktiven Wehrdienst möglich. Genau geregelt wurde nun auch die Bekleidung, welche er an Bord zu tragen hatten. Diese bestand aus einer weißen Jacke5, wovon er sechs beschaffen musste, und einer dunkelblauen Hose. In warmen Gegenden hätte er auch eine weiße Hose tragen dürfen. Für das Antreten hatte er einen zweireihigen dunkelblauen Anzug der Deutschen Arbeitsfront mit schwarzen Ankerknöpfen, sowie eine weiße oder blaue Schirmmütze zu tragen. Mit seinem Vertrag bei der Marine hatte Arthur Meier diverse Verschwiegenheitserklärungen zu unterschreiben. Der Schiffsverwaltungsoffizier kümmerte sich auch darum, dass er nicht etwa in den Militärdienst einberufen wurde. Zudem galt es die Verhältnisse des inzwischen zwölfjährigen Stiefsohnes zu klären. Ende 1940 übernahm Arthur Meier die Vaterschaft und gab dem Kind seinen Nachnamen. Der leibliche Vater des Sohnes war der Kellner Rudolf Popp. Er stammte gebürtig aus Budapest, lebte mittlerweile aber in Wien und war dort verheiratet und als Vater zweier Kinder bei der Post beschäftigt. Er musste der Mutter Unterhalt für sein Kind zahlen. Die Namensänderung und die Unterhaltszahlung durch den leiblichen Vater konnte Arthur Meier während seiner Zeit auf der Bismarck mit Hilfe des Schiffsverwaltungsoffiziers Korvettenkapitän Hartkopf 6 regeln.
An Bord der Bismarck umsorgte Arthur Meier seinen Kommandanten, servierte ihm etwa die Mahlzeiten oder besorgte ihm die Zigaretten seiner Lieblingsmarke Three Castles. Stets war er zu einem kleinen Schwätzchen aufgelegt. Mit der Bismarck lief er im Mai 1941 zur Feindfahrt in den Atlantik aus. Zuletzt wurde er von dem später überlebenden Kapitänleutnant von Müllenheim-Rechberg7 gesehen, als er am Morgen des 27. Mai 1941 dem Kommandanten das Frühstück auf der Brücke servierte. In dem kurz darauf beginnenden Gefecht war er wahrscheinlich als Hilfskrankenträger im Einsatz. Arthur Meier überlebte den Untergang der Bismarck nicht. Er starb am 27. Mai 1941 im Alter von 40 Jahren. Sein Tod wurde am 23. Juni 1942 in Hamburg unter der Nummer 290/42 beurkundet.
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