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Deutschland (1922)
Quellen:
Renate Vogt (Nichte) / Schwetzingen
Else Dewitt geb. Kaczmarek (Schwester)
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Rudi Kaczmarek wurde am 24. März 1922 in dem 400 Einwohner zählenden niederschlesischen Herbersdorf im Landkreis Lüben geboren. Er war der erste Sohn von Albert Kaczmarek und seiner Frau Anna geborene Jänsch. Zusammen mit seiner ein Jahr älteren Schwester Else wuchs er in der kleinen Gemeinde auf. 1925 folgte den Beiden noch eine weitere Schwester, die auf den Namen Gertrud getauft wurde. Als letztes wurde der jüngste Bruder Hans 1928 geboren. Schon früh entdeckte Rudi Kaczmarek seine Freude am Fußballspielen mit den Kindern der Nachbarschaft. Im Sommer tummelten sich alle im Dorfbach, planschten herum und bauten kleine Schiffchen die bis ins Meer schwimmen sollten. 1928 wurde er auf die Volksschule – welche die einzige Schule im Dorf war – eingeschult. Den Erzählungen nach soll er ein guter Schüler gewesen sein. Mit zehn Jahren hatte er dann seine Erstkommunion, für welche extra ein Matrosenanzug mit kurzer Hose gekauft wurde. Noch bis 1936 besuchte er die Schule um gleich darauf als Zimmermann in seinem Heimatdorf in die Lehre zu gehen.
Im darauf folgenden Jahr wurde der Vater Albert als Berufssoldat der Wehrmacht in die etwa 20 km nördlich gelegene Stadt Glogau versetzt. Da ihm die Zeit sehr unsicher erschien nahm er seine Familie mit nach Glogau. Haus und Hof wurden verpachtet, doch die Miete kam nur drei Mal. Der mittlerweile fünfzehnjährige Rudi Kaczmarek wechselte den Lehrmeister und setzte in Glogau seine Lehre fort. Es sollte jedoch nur ein Jahr dauern ehe die Einheit des Vaters abermals – dieses Mal nach Osterode in den Harz – verlegt wurde. Die kleine Wohnung unter dem Dach wechselte gegen eine geräumigere Wohnung auf dem Kasernengelände, welche dem Vater aufgrund seines Dienstgrades als Unterfeldwebel zustand. In Osterode fand Rudi Kaczmarek schnell wieder Anschluss. Besonders hatte es ihm aber eine Schulfreundin seiner jüngeren Schwester angetan. Die Beiden verliebten sich ineinander. Rudi Kaczmareks Freundin arbeitete damals in einer Gärtnerei in welcher geregelte Arbeitszeiten noch ein Fremdwort waren. Dennoch besuchte sie ihn und seine Eltern in der Kaserne so oft es ging. Die Umstände der Zeit und der Mangel an selbiger, verhinderten jedoch, dass die Beiden auch nur ein einziges Mal zum Tanzen ausgehen konnten. Durch den erneuten Umzug musste Rudi Kaczmarek abermals seinen Lehrmeister wechseln. Bei dem Zimmermeister Detlef Schrum sah er nun allmählich dem Ende seiner Lehrzeit entgegen und begann sich Gedanken über seine weitere Zukunft zu machen.
1938 war er vorerst bis zum Ende seiner Lehrzeit vom Arbeits- und Wehrdienst zurückgestellt worden, nun rückte seine Einberufung aber immer mehr in greifbare Nähe. Der Einberufung vorgreifend meldete er sich schließlich 1939, dem Vorbild des Vaters folgend, freiwillig zum Dienst in der Wehrmacht und wurde zum 1. Oktober des Jahres, nach Erfüllung seiner Arbeitsdienstpflicht, bei einer Heereskompanie in Hameln angenommen. Nachdem er dies geregelt hatte, machte Rudi Kaczmarek am 20. Februar 1939 bei der Handwerkskammer Hildesheim seine Gesellenprüfung. Hierfür musste er ein Gesellenstück, eine Arbeitsprobe, sowie eine theoretische Prüfung ablegen. Alle drei Bereiche bestand er mit der Note gut.
Die Einberufung in den Arbeitsdienst folgte bereits am 1. April 1939, so dass Rudi Kaczmarek keine Gelegenheit blieb als Zimmermannsgeselle zu arbeiten. Als Arbeitsmann wurde er nach Braunschweig zu der Reichsarbeitsdienstabteilung 7/187 befohlen. Hier wurde er am 20. April – dem Geburtstag Adolf Hitlers – vereidigt. Mit dem näher kommenden Kriegsbeginn änderte sich der Aufgabenbereich der Arbeitsmänner, die nun zunehmend in den Wehrmachtstross integriert wurden. So auch Rudi Kaczmarek, der nach einer kurzen Kommandierung in die Abteilung 2/184 am 26. August 1939 an das gerade erst aufgestellte Leichte Straßenbaubataillon 617 nach Badenstedt bei Hannover überwiesen wurde. Ein Stabsarzt untersuchte ihn noch am selben Tag in Braunschweig um festzustellen, dass er "kriegsverwendungsfähig" sei. In aller Eile wurde er am nächsten Tag vereidigt, womit sein aktiver Wehrdienst im Heer begann. Den Sparten tauschte er zeitweilig gegen das Gewehr. Ob sein Bataillon jedoch im kurz darauf folgenden Polenfeldzug eingesetzt wurde ist sehr unwahrscheinlich, da es sich um einen Ersatztruppenteil handelte. Im Januar 1940 sah Rudi Kaczmarek dann seiner längst überfälligen Entlassung aus dem Arbeitsdienst entgegen. Dafür wurde er kurzzeitig in das Bauersatzbataillon 11 nach Zerbst verlegt und dort am folgenden Tag über Spionage und dessen Abwehr, Landesverrat und die Wahrung des Dienstgeheimnisses, sowie die Wehrüberwachung belehrt, ehe er schließlich aus dem aktiven Dienst beurlaubt nach Hause fahren konnte. Zurück in Osterode wurde er abermals von dem Wehrmeldeamt auf seine Schweigepflicht eingeschworen.
Der Kriegsbeginn hatte die geplante Einberufung nach Hameln inzwischen obsolet gemacht. Rudi Kaczmarek hatte es sich mittlerweile ohnehin anders überlegt und sich zum Dienst in der Kriegsmarine freiwillig gemeldet. Ob er damit einer Einberufung in das Heer entgehen wollte da nun Krieg herrschte oder ihn die Erfahrungen aus seiner kurzen Zeit in dem Baubataillon zu der Entscheidung drängte, lässt sich heute nur noch vermuten. Bekannt ist nur das Rudi Kaczmarek vom Meer und der schicken Marineuniform begeistert war. Sein Einstellungsgesuch fand Mitte August 1940 den Zuspruch des 2. Admirals der Ostseestation. Von da an ging alles sehr schnell. Kaum mehr als eine Woche blieb Rudi Kaczmarek nach Erhalt des Einberufungsbescheides um sich von seinen Eltern, Geschwistern und seiner Freundin zu verabschieden, ehe er mit der Eisenbahn in Richtung Norden aufbrach. In Stralsund, bei der 5. Kompanie der 7. Schiffsstammabteilung angekommen, nahm dann seine Laufbahn bei der Marine mit der Grundausbildung ihren Anfang. Bereits nach drei Wochen ging es weiter in die Zerstörerstammabteilung nach Swinemünde zur weiteren bordnahen Ausbildung. Seiner Familie berichtete er wenig von seiner Ausbildungszeit, nur dass es ihm in Stralsund und Swinemünde sehr gefallen hätte. Damit nahm er offenbar Rücksicht auf seine Mutter, welche von Anfang an aus Angst um ihn gegen seinen Eintritt in die Marine gewesen war. Er wollte ihr keinen zusätzlichen Kummer bereiten. Als er dann Anfang Januar 1941 auf das Schlachtschiff Bismarck kommandiert wurde waren Mutter und Sohn wieder leicht versöhnt, denn dieses gewaltige Schiff, so wusste Rudi Kaczmarek seiner Mutter zu berichten, gelte als unsinkbar. Auch mit seiner Freundin hielt er weiterhin brieflichen Kontakt und schmiedete bereits Hochzeitspläne. "Er war ein liebenswerter Schatz, zurückhaltend und bescheiden und wäre bestimmt ein guter Mann und Vater geworden." berichtet sie heute.
Über Weihnachten 1940 verlebte Rudi Kaczmarek seinen einzigen Urlaub Zuhause bei seiner Familie. Voller stolz kam er in seiner Uniform erinnert sich noch sein damals erst zwölfjähriger Bruder Hans. Beim Abschied, gleich nach den Feiertagen in Osterode, wollte ihn die Mutter gar nicht mehr gehen lassen, in dunkler Ahnung ihn nie wieder zu sehen. Ein paar Monate später fuhr er mit der Bismarck hinaus und sollte nicht wiederkehren. Rudi Kaczmarek fiel am 27. Mai 1941, einen Monat nach seinem neunzehnten Geburtstag.
Per Post wurde die Familie über den Untergang der Bismarck informiert und darüber, dass es wohlmöglich Überlebende gegeben habe über welche noch keine genauen Informationen vorlagen. Damit war die stille Hoffnung geweckt dass der Sohn unter den Überlebenden sei. Erst im Juli 1941 brachte ein Brief traurige Gewissheit: Rudi Kaczmarek war nicht unter den größtenteils in Kriegsgefangenschaft befindlichen Überlebenden und wurde daher als vermisst erklärt. Es folgte noch die posthume Verleihung des Flottenkriegsabzeichens und damit war der "Fall" von militärischer Seite aus "abgeschlossen". Der Vater erfuhr mit der Feldpost in Russland vom Tod seines Sohnes. Die Freundin bekam einen Brief mit dem Vermerk "gefallen für Großdeutschland" zurück. Die Mutter überwand den Verlust nie. Ihre einzige Hoffnung war, dass er schnell gestorben sei, oben auf dem Schiff und nicht im Inneren, wo mit Sicherheit Furchtbares geschah. Langsam schwanden ihre Kräfte, woran auch die Heimkehr ihres schwer kranken Mannes aus russischer Kriegsgefangenschaft 1948 nichts mehr ändern konnte. Sie starb 1951, zehn Jahre nach ihrem Sohn. Die Erinnerung an den liebenswerten, bescheidenen, jungen Mann, der so früh aus der Blüte seines Lebens gerissen wurde, ist bis heute in der Familie lebendig geblieben.
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